Die vier Protagonist*innen des Films sind Überlebende ihrer Drogensucht: Claudia, Christina, Thomas und Viola. Viele Weggefährten mussten schon gehen. Aber nicht zuletzt ihre Tiere haben sie mehr als einmal vor Selbstmord oder Rückfall in die Sucht bewahrt. Der Film NICHT OHNE MEINE TIERE erzählt ihre bewegenden Geschichten. Behutsam ergänzen Expert*innen die persönlichen Lebensberichte um den Stand der Forschung.
Drei Fragen an Regisseur Volker Meyer Dabisch:
Mit was für Erwartungen, haben Sie die Arbeit an einem Film, in der es um Drogensucht und Tieren als Suchthelfer geht, begonnen?
Ich war sehr gespannt auf die Protagonist:innen und deren Geschichten, normalerweise suche ich mir meine Protagonisten ja eher zufällig. Themen meiner Filme sind sonst auch mal einfach Orte, an denen mir zufällig jemand begegnet den ich interessant finde, und dessen Geschichte ich erzählen möchte. Hier kam der Arzt und Autor Michael Christian Schulze im Vorfeld auf mich zu und traf eine Auswahl an Protagonist:innen, die wir dann auch gleich zu einem Shooting-Termin trafen. Hier galt es innerhalb von kürzester Zeit eine vertraute Atmosphäre zu schaffen, in der die jeweils oft sehr bewegenden Biografien ihren Raum finden können. Obwohl Michael Christian Schulze die Protagonisten kannte, entschieden wir uns, dass ich derjenige bin, der die Fragen stellt, um einen unverstellten Blick auf die Protagonist:innen zu bekommen. Meine jahrelange Zusammenarbeit mit Kameramann Andreas Gockel ermöglichte uns gewissermaßen eine geräuschlose Zusammenarbeit, sodass wir als Filmteam möglichst unauffällig blieben.
Sehr gut hat uns gefallen, dass auch auf Augenhöhe der Tiere gefilmt wurde. Schließlich sind auch die Tiere Protagonisten des Films. Wie kam es zu dieser Idee?
Nun, es ist für mich naheliegend, dass die Tiere, die ja eigentlich im Zentrum des Films stehen auch gefilmt werden. Und so habe ich versucht, mich den Tieren zu nähern, habe mich auf den Boden zu gelegt, um meine humanoide Perpektive zu verlassen. Ayoka, eine Hündin von Christine, die besonders friedlich und entspannt war, hat von mir ein Kamerageschirr bekommen und eine Action-Kamera, um genau den Blick des Hundes auf die Welt einfangen zu können, den Blick auf ihr Herrchen.
Ihre menschlichen Protagonisten haben durch Ihre Erfahrungen mit der Krankheit Drogensucht und den damit einhergehenden Umständen einen besonderen Blick auf das Leben. Was haben Sie von Christiane, Thomas, Claudia und Viola lernen können?
Ich fand es sehr beeindruckend, welchem Leidensdruck die Protagonist:innen ausgesetzt waren und auch noch sind, und wie stark sie damit umgehen. Weiterzuleben mit der Sucht, weiterzuleben mit teils schwierigen gesundheitlichen Diagnosen, weiterzuleben trotz vielfältiger Traumata und persönlichen Verlusten. Sie sind Überlebende ihrer Sucht und für mich auch Helden ihres Lebens.
Ich war auch fasziniert von der Erkenntnis, dass der Impuls zur Sucht oft nicht einfach aus einem Drang zum extremen Flash, zur maximalen Dröhnung kommt, sondern aus dem Bedürfnis trotz schwerer Traumen oder psychischer Belastungen nach einem normalen Leben. Drogen werden also genommen um ein ganz normales Leben zu führen, um einen Alltag leben zu können, um einkaufen gehen zu können, oder einfach nur mit Menschen reden zu können.
Drei Fragen an Autor, Co-Produzent und Arzt Dr. Michael Christian Schulze:
Der Film „Nicht ohne meine Tiere“ räumt mit gängigen Klischees auf, dass Sucht oft durch den Einsatz von Drogen um „dem Alltag zu entfliehen“
ausgelöst wird. Erläutern Sie uns bitte (in einfachen Worten), wie es zu einer Sucht kommen kann.
Es gibt nicht die eine Ursache und prinzipiell kann jede(r) - auch Sie und ich - süchtig
werden. Aber es gibt natürlich Risikofaktoren, die eine Sucht wahrscheinlicher machen. Dazu gehören insbesondere katastrophale Erfahrungen in der Kindheit mit psychischer, körperlicher oder
sexueller Gewalt. Drogen – dazu gehört natürlich auch Alkohol - können als Selbstmedikation betrachtet werden, die Stress, Ängste und andere psychische Symptome bekämpft.
Oder man sieht sich nur in der Lage mit stimulierenden Drogen wie z.B. Kokain oder Amphetaminen, die an sich gestellten Leistungsanforderungen zu erfüllen. Und natürlich ist auch der alte Ansatz
„Flucht aus dem Alltag“ ein mögliches Motiv von vielen.
Das Thema Drogen ist nach wie vor gesellschaftlich stigmatisiert. Trotzdem haben Sie Protagonisten gefunden, die bereit waren offen vor der Kamera über ihre Drogensucht, die Folgen und den wichtigen positiven Einfluss, den Tiere in diesem Zusammenhang geben können, zu sprechen. Wie haben Sie das geschafft?
Ich habe lange Zeit in einer suchtmedizinischen Schwerpunktpraxis gearbeitet. Nach meinem Ausscheiden wollte ich das Thema Sucht gerne von einer anderen Seite beleuchten und habe in einer Studie untersucht, ob und wie Tiere Menschen mit Suchtproblemen unterstützen können. Dafür habe ich u.a. zahlreiche Substitutionspatienten („Metadonprogramm“) befragt. Durch diese Interviews ist ein Vertrauensverhältnis entstanden, so dass einige der Befragten bereit waren, als Protagonisten in unserem Dokumentarfilm mitzuwirken.
Was soll der Film bewirken?
Es wird hoffentlich deutlich, wie wichtig Tiere für Menschen in prekären Lebenslagen sein können. Die Tierhaltenden sollten dafür Anerkennung und Unterstützung erhalten. Außerdem lernt man die Protagonsiten von einer völlig andere Seite kennen, die auch ihre positiven Ressourcen zeigt. Das trägt hoffentlich zu einer Entstigmatisierung von Sucht und Drogen bei.